zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Social Media hat es zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch nicht gegeben. Aber wenn, dann wäre die Botschaft von Josef Wickenhäuser am 2. September 1906 kurz und bündig ausgefallen. Teil dieser holländischen Klostergemeinschaft zu werden, ist für den damals 30-Jährigen ein folgerichtiger Schritt in einem gottesfürchtigen, christlichen Leben.
92 Jahre nach diesem etwaigen Tweet wird dieser bekannteste Massenbachhausener im Rahmen eines Seligsprechungsprozesses in Rom und mit einer besonderen Ehrung aus dem Vatikan gewürdigt: 1998 erhebt ihn Papst Johannes Paul II. zum "Verehrungswürdigen Diener Gottes".
Es ist bislang der einzige Gottesmann in der Region Heilbronn-Franken, dem diese Würde zuteilwurde.
Am 19. Januar 1876 kommt Josef Wickenhäuser als jüngstes und zehntes Kind von Johann Adam und Elisabeth Wickenhäuser in der ehemaligen Synagoge (1736 – 1872) in der Gartenstraße 3 zur Welt. Als 15-Jähriger muss er 1891 den tragischen Verlust des Vaters verkraften, der sich beim Schlachten eines Schafes tödlich verletzt. Diese Zeit ist prägend für Josef, der nun in recht jungen Jahren für sich und die Mutter den Lebensunterhalt bestreiten muss. Er verdingt sich beim Straßenbau nach Gemmingen als Steinklopfer, macht 1892 eine Lehre beim Kirchardter Steinmetz Franz Pisot. 1899 besteht er in Stuttgart die Gesellenprüfung mit Auszeichnung.
Nach dem Militärdienst beginnen 1903 Wanderjahre, die Josef Wickenhäuser durch Deutschland und nach Holland führen. Aus dem Massenbachhausener wird ein gefragter Künstler, der in Köln, Remscheid, Hannover und Berlin sein Talent verfeinert. Der christliche Gedanke und Jesu Vorbild bestimmen Josefs Denken und Wirken.
1905 stirbt die Mutter. Firminus gestaltet auf dem Massenbachhausener Friedhof ein prägendes Grabmal an der letzten Ruhestätte der Eltern: „Jesus am Ölberg”.
1908 knüpft er erste Kontakte zum Kloster Düsseldorf, tritt drei Jahre später ins 60 Kilometer entfernte Kloster Dorsten ein.
1914 bis 1918 wird Firminus an die Front befohlen. Als Sanitäter kann er im Ersten Weltkrieg Leben retten und Verwundete heilen, als Mönch Trost und Segen spenden. In den Nachkriegsjahren wird er als begabter und zutiefst christlicher Bildhauer im In- und Ausland bekannt. An der St. Appolinariskirche Remagen, im Bonner Kloster Kreuzberg und in Klöstern der sächsischen Ordensprovinz leistet er wertvolle Restaurierungsarbeiten. In Neviges vollendet er das Relief „Die Krönung Mariens“. Firminus arbeitet an der Madonna für Mönchengladbach und an einer Immaculata, einer Marienbüste als Geschenk für den Kölner Erzbischof, Kardinal Karl Josef Schulte. Er schafft Portraits von Fürsten und Exzellenzen, etwa von dem preußischen General und Adligen Ludwig von Lauter. Und dann kommt ein Auftrag direkt von ganz oben, aus dem Hause Hohenzollern.
All seine Arbeiten leistet er in tiefer Gottverbundenheit. Firminus betet bei der Arbeit. Wegen seiner Nächstenliebe und der ausgeprägten Frömmigkeit bekommt er von seinen Mitmenschen den Beinamen „Herrgottsbrüderle“. Im Dezember 1919 folgt das feierliche Gelübde auf Lebenszeit.
Franziskaner-Pater Professor Raymund Dreiling begegnet Firminus in Harreveld und auch in Dorsten. Er beschreibt seinen Ordensbruder so: "Nur aus der Gottverbundenheit und dem Gebetsgeist des Bruders Firminus versteht man auch sein künstlerisches Schaffen. Wovon das Herz so übervoll war wie bei dem Brüderle, davon mussten nicht nur der Mund, sondern auch Hammer und Meißel überströmen."
Mit über 60 Jahren geht Firminus einen schweren Weg. Staublunge einerseits und vermutlich Magenkrebs andererseits setzen ihm massiv zu. Im Düsseldorfer Marienhospital gibt es keine Hoffnung: Bruder Firminus kann keine Nahrung mehr zu sich nehmen. Es sind quälende Stunden und Tage. Dennoch rafft er sich mehrmals am Tage auf, spendet anderen Kranken Trost und Segen. Für die Düsseldorfer Ordensgemeinschaft, bei der Firminus 1919 das Gelübde auf Lebenszeit ablegt, und für die Menschen in Massenbachhausen ist der 30. September 1939 ein trüber Tag: Das Herrgottsbrüderle stirbt im Alter von 63 Jahren. Noch Jahrzehnte später pilgern Gläubige an sein Grab. Inzwischen ruhen Firminus‘ Gebeine in der Düsseldorfer Kirche Maria Empfängnis.
Die Katholiken verehren ihn als Fürsprecher. Im Zuge einer akribischen Untersuchung "Über die Heiligkeit" und des Seligsprechungsprozesses über Jahrzehnte hinweg verkündet der Vatikan Ende 1998 schließlich das "Dekret über die Tugenden von Bruder Firminus". Die Verfügung wird bei den Akten der Kongregation für die Heiligenprozesse – der nächsten Stufe nach der Seligsprechung – aufbewahrt.